Vergessene Geschichte
16.03.1968: Das Massaker von My Lai


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Am 16. März 1968 drangen US-Soldaten während einer Search and Destroy-Mission ins vietnamesische My Lai ein und massakrierten 504 unbewaffnete Dorfbewohner. Dieser Vorfall ging als das Massaker von My Lai in die Geschichte ein.

Massaker von My Lai
Massaker von My Lai, By Ronald L. Haeberle – Copied from Krysstal.com, „The Acts of the Democracies“ http://www.krysstal.com/democracy_vietnam_mylai.html, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=883801

An diesem Tag im Jahr 1968 führten US-amerikanische Soldaten während des Vietnamkriegs in My Lai ein Massaker durch und richteten insgesamt 504 unbewaffnete Zivilisten hin. Gegen 7:30 Uhr am Morgen des 16. März waren die Soldaten auf einer sogenannten Search and Destroy-Mission, bei der sie ins Feindgebiet eindrangen und so viele Gegner wie möglich töteten.

Angeführt von Lieutenant William L. Calley betraten die Soldaten My Lai. Statt Guerillakämpfer traf man dort jedoch ausschließlich unbewaffnete Zivilisten vor, die meisten von ihnen Frauen, Kinder und alte Männer. Zuvor waren die US-Soldaten in Kenntnis gesetzt worden, dass alle Dorfbewohner Sympathisanten der Vietcong seien, weshalb das Dorf zerstört werden müsse.



US-Soldaten im Blutrausch

Alte Männer und Frauen, junge Mütter und Kinder saßen vor ihren Häusern und frühstückten, als die US-Truppen anrückten. Sie waren zunächst der Meinung, sie hätten nichts zu befürchten. Man ging davon aus, es handle sich um eine Routine-Patrouille, um kommunistische Vietkong-Guerillas ausfindig zu machen.

Calley wies seine Soldaten jedoch ohne Vorwarnung an, jeden zu ergreifen, unabhängig von Alter oder Geschlecht, und sie in einen 1,5 Meter tiefen Graben, teilweise mit Wasser befüllt, hineinzuwerfen. Die US-Soldaten gingen bei ihrer Mission mit außerordentlicher Brutalität vor. Frauen wurden vergewaltigt, viele wurden gefoltert bevor man sie tötete.

Dutzende Dorfbewohner (laut einigen Quellen ca. 70 bis 80), darunter auch Kleinkinder und Babys, wurden in den Graben geworfen und mit automatischen Waffen exekutiert. Ein anderer Fall beschreibt, wie ein Soldat mit einem Bajonett einen Dorfbewohner in einen Brunnen drängte und anschließend eine Handgranate hinein warf. Berichtet wurde auch, wie „15 oder 20 Leute, vor allem Frauen und Kinder“, um einen Tempel herum knieten und weinend beteten. Sie alle wurden durch Kopfschüsse hingerichtet.

Frauen versuchten ihre Kinder zu schützen und riefen „No VC“ („kein Vietcong“). Soldaten schossen dann auf die Hände der Frauen, mit denen sie ihre Kinder hielten. Einige Frauen warfen sich auf ihre Kinder, um sie zu schützen. Manche Kinder rannten weg und wurden von Calley erschossen. Andere Dorfbewohner wurden in einer Reihe aufgestellt und niedergeschossen.

Es wurden Razzien durchgeführt, bei denen ebenfalls Zivilisten getötet wurden. Ein paar der Bewohner öffneten ihre Türen nicht. Also steckten die US-Soldaten die Dächer in Brand, trieben die Menschen auf diese Weise hinaus und eröffneten das Feuer. Auch das Vieh der Dorfbewohner wurde getötet.

Um 11:00 Uhr machten die US-Soldaten auf Anweisung von Captain Ernest Lou Medina „Lunch Break“, Mittagspause. Nach einer kurzen Stärkung ging das Töten weiter.

Warrant Officer Hugh Thompson beendet das Massaker

Warrant Officer Hugh Thompson flog mit seinem Hubschrauber über My Lai hinweg und sah Menschen im Graben liegen. Der damals 25-Jährige fragte einen Sergeanten, ob er dabei helfen könne, die Menschen aus dem Graben zu holen und ob medizinische Versorgung benötigt werde. Dieser antwortete, dass man „ihnen bereits aus dem Elend“ helfe. Verwirrt funkte er daraufhin Lieutenant Calley an. Dieser behauptete „nur nach Anweisung“ zu handeln. Als er mit seinem Hubschrauber abdrehte, sah Thompson, wie die Soldaten in den Graben feuerten.

Erst nach fünf Stunden endete das Massaker von My Lai, als Thompson mit der Eröffnung des Feuers auf die Bodentruppen drohte, für den Fall dass die Übergriffe fortgesetzt würden. Im gesamten Dorf lagen Haufen gestapelter Leichen herum, sagte Private Michael Bernhardt, der ebenfalls hinzu kam. Er sah, wie mit einem M79-Granatwerfer in eine Gruppe gefeuert wurde. „Aber meistens wurde es mit einem Maschinengewehr durchgeführt“, sagte er weiter.

Ein anderer Zeuge, der Militärreporter Ronald Haeberle, bestätigte, dass mit dem Granatwerfer auf Menschen gefeuert wurde. „Da waren einige Südvietnamesen, vielleicht um die 15, Frauen und Kinder waren auch darunter. Sie befanden sich auf einer nicht asphaltierten Straße, etwa 100 Meter entfernt. Plötzlich öffneten die GIs mit M16-Gewehren das Feuer. Neben den M16 erschossen sie die Leute auch mit M79 Granatwerfern. Ich konnte nicht glauben, was ich sah.“

Die Dorfbewohner hätten keinerlei Widerstand geleistet, lediglich drei Waffen seien insgesamt sichergestellt worden. „Es sah aus wie jedes andere vietnamesische Dorf. Alte Großväter, Frauen und Kinder. Ich kann mich an keinen einzigen Mann im Soldatenalter erinnern, weder tot noch lebendig.“

Keine Stellungnahme aus dem Pentagon

Das Massaker von My Lai wurde von hochrangigen US-Offizieren aufgearbeitet, jedoch zunächst geheim gehalten. Ein Soldat namens Ron Ridenhour hörte über den Vorfall und ging der Sache nach. Er schickte Briefe an Präsident Richard Nixon, an das Pentagon, das State Departement, die Joint Chiefs of Staff und verschiedene Kongressmitglieder.

Die Briefe blieben lange unbeantwortet, bis Ridenhour 14 Monate später vom Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh interviewt und die Geschichte veröffentlicht wurde. Rasch fand sich das Massaker von My Lai auf den Titelseiten der großen Zeitungen wieder und entwickelte sich zum internationalen Skandal.

Die Zahl der Dorfbewohner, die von den US-Soldaten abgeschlachtet wurden, ist noch immer umstritten. Laut Angaben des US-Militärs lag der „body count“ knapp über 100. In Vietnam hat man jedoch 504 getötete Personen gezählt, die jüngste war gerade ein Jahr alt und die älteste 82. All ihre Namen wurden am Ort des Ereignisses auf eine breite Marmorwand graviert.

Begnadigung durch US-Präsident Richard Nixon

Im März 1970 wurden Calley und Captain Medina für das Massaker von My Lai angeklagt. Allerdings wurde lediglich Calley für die Ermordung von 22 Menschen schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Nur einen Tag später wurde Calley auf Anordnung Nixons aus dem Gefängnis entlassen und unter Hausarrest gestellt.

Im Jahr 1974 wurde er vollständig durch Nixon begnadigt. Viele sahen in ihm lediglich den Sündenbock in einem Schauprozess. Im August 2009 entschuldigte sich Calley für seine Taten mit den Worten: „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht das Gefühl für Reue empfinde für das, was an jenem Tag in My Lai geschah.“

Er sagte weiter: „Ich fühle Reue für die Vietnamesen, die getötet wurden, für ihre Familien, für die beteiligten amerikanischen Soldaten. Ich bin sehr traurig. Wenn Sie mich fragen, warum ich mich den Befehlen nicht widersetzte, muss ich sagen, dass ich ein Second Lieutenant war und den Befehl von meinem Kommandanten erhielt, welchen ich dummerweise befolgte, denke ich.“

Quellenangaben anzeigen
My Lai massacre takes place in VietnamMASSACRE AT MY LAIThe monster of the My Lai massacreCalley expresses remorse for role in My Lai massacre in Vietnam, Wikipedia (en)
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