An diesem Tag
21.03.1349: Das Massaker an den Juden von Erfurt


by

Am 21. März 1349 fand in Erfurt ein Massaker an dort lebenden Juden statt. Viele Bewohner warfen diesen vor, städtische Brunnen zu vergiften, wodurch sich die Pest ausbreitete.

Juden Erfurt
Davidstern, Bild: Gegenfrage.com

An diesem Tag im Jahr 1349 begann das Massaker an der (ersten) jüdischen Gemeinde in Erfurt. Sie wurden für den Ausbruch der Pest („Schwarzer Tod“) verantwortlich gemacht. Berichte über die Zahl der während des Massakers getöteten Juden variieren von über 100 bis 1.000 bis etwa 3.000. Allerdings sollen die meisten von ihnen nicht durch direkte Angriffe gestorben sein.

Viele setzten ihre Häuser und Besitztümer selbst in Brand und starben in den Flammen, ehe sie gelyncht werden konnten. Die meisten Verfolgungen und Massaker im Zusammenhang mit der Pest fanden seinerzeit in Frankreich und Deutschland statt.



Einerseits wurden die Juden für die Ausbreitung der Pest verantwortlich gemacht. Bereits im Alten Testament wird vor dem Auftreten der Pest gewarnt. Zwischen 1347 und 1352 starben in Europa 25 Millionen Menschen (die halbe europäische Bevölkerung) an der Lungen- und Beulenpest.

Bereits im Jahr 1348 gab es in diesem Zusammenhang Judenpogrome in Frankreich. Es dauerte nicht lange und man warf den Juden vor, Brunnen vergiftet zu haben, um die Pest zu verbreiten. Die Brunnen-Theorie ist etwas unlogisch, da es für die Juden keinen Grund gab, die Brunnen zu vergiften, da sie selbst Wasser daraus bezogen. Allerdings war die Infektionsrate unter Juden tatsächlich geringer, da sie meist in geschlossenen Gemeinden lebten.

Mehrere mögliche Gründe für die Spannungen

Bemerkenswert ist auch, dass Erfurt erst im Jahr 1350 von der Pest heimgesucht wurde. Die Pogrome waren demnach häufig eine Prävention, bevor die Pest einen Ort oder eine Stadt erreichte.

Ein weiterer Grund für die Gewalt könnte auch sein, dass viele Christen die Ausbreitung der Pest als Rache Gottes betrachteten, weil man mit Juden zusammenlebte. Die in Erfurt lebenden Juden hatten jedoch auch bereits vor der Verfolgung einige Feinde in der Bevölkerung.

Die Haupttätigkeit der Juden Erfurts war der Verleih von Geld. Steuerdokumente, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen, bezeugen die Rolle der Juden im Bankwesen. Nicht nur in der unmittelbaren Region, sondern im gesamten Heiligen Römischen Reich.

Im 13. und 14. Jahrhundert waren Spannungen zwischen Juden, Christen und auch Muslimen in Europa keine Seltenheit. So fand etwa im Jahr 1303 ebenfalls ein Zusammenstoß zwischen Juden und Christen in Weißensee statt. Christen warfen ihnen Ritualmorde vor, bei denen Kinder getötet wurden. Bei darauffolgenden Ausschreitungen kamen 123 Juden ums Leben. Der jüdischen Gemeinde in Erfurt warf man Ähnliches vor, doch wurden sie vom Erzbischof gegen Zahlung einer Geldsumme geschützt.

Im Jahr 1340 hatte die Stadt beschlossen, dass Juden ihre Geschäfte nur noch auf der Straße abwickeln durften, nicht mehr in ihren Privathäusern. Dennoch hatten die Juden hier einen Vorteil gegenüber christlichen Geldverleihern, die sich im Gegensatz zur jüdischen Konkurrenz an ein striktes religiöses Zinsverbot hielten. Im Falle einer Zahlungsunfähigkeit wurden Schuldner zwölf Jahre lang eingesperrt und mussten ihre Schulden abarbeiten. Dies führte zu Unmut in der Bevölkerung.

Die Spannungen sind jedoch nur teilweise mit denen des 20. Jahrhunderts vergleichbar, da die Religionen seinerzeit einen viel höheren Stellenwert hatten. Die wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe sind hingegen möglicherweise zum Teil ähnlich.

Das Massaker

Im Vorfeld des Massakers hatte der Würzburger Rat einen Brief nach Erfurt gesandt und fragte, ob die jüdischen Bewohner die Brunnen vergiftet hätten. Erfurt gab an, dass nichts dergleichen beobachtet worden sei. Einige ehemalige Ratsherren wollten die unruhige Situation für sich nutzen und die Erfurter Regierung stürzen.

Sie streuten das Gerücht, dass sich der Erfurter Stadtrat in Wahrheit aller Juden entledigen wolle und riefen zum „iudenslagen“ (Judenschlagen) vor einer Synagoge auf. Dies geschah an einem Samstag, einem Sabbattag. Viele Gläubige befanden sich zu diesem Zeitpunkt in der Synagoge.

Der Stadtrat schickte einen Vertreter, der die wütenden Bürger beruhigen sollte. Dieser stachelte jedoch zu weiterer Gewalt an. Er ließ das Gebiet um die Synagoge sogar absperren (dort lebten die meisten Juden), damit niemand flüchten konnte.

Die Juden waren ebenfalls bewaffnet, dennoch kamen durch die Attacken zwischen 100 und 1.000 von ihnen ums Leben. Einige von ihnen waren so verzweifelt, dass sie ihre eigenen Häuser anzündeten und sich selbst darin verbrannten, ehe sie gelyncht werden konnten.

Fast alle Juden Erfurts fielen dem Massaker zum Opfer. Die Hinterlassenschaften der Getöteten gingen an die Stadt. Schulden, die viele Erfurter bei den Juden hatten, wurden erlassen. Drei der ehemaligen Ratsherren wurden nach dem Massaker hingerichtet. Der Vertreter, der die Befehle nicht befolgt hatte, wurde hingegen nicht angeklagt.

Laut einer Urkunde vom 11. Juli 1349 hatten sich der Erfurter Stadtrat und der Erzbischof „wegen der Ermordung der Juden gütlich vertragen“. Eine erneute Ansiedlung wurde in dem Dokument begrüßt.

Auch in den meisten anderen Städten Thüringens und in Städten anderer Länder (bspw. Speyer, Worms, Mainz) fanden Pogrome statt. Die Berichte darüber aus dieser Zeit waren sachlich und kaum emotional. Ein Bericht über das „Judenbrennen“ endete etwa mit den Worten „Mögen sie in der Hölle ruhen“.

Juden lebten seit dem 11. Jahrhundert in Erfurt

Die jüdische Gemeinde in Erfurt entstand mit großer Wahrscheinlichkeit vor dem Ende des 11. Jahrhunderts. Sie unterstand dem Erzbischof, war zeitweise aber auch unter der Obhut der Stadt.

Laut einigen Quellen war die Gemeinde seitens des Erzbischofs erwünscht, weil die Juden wohlhabend und steuerpflichtig waren, weshalb sie Überlieferungen zufolge auch einige Privilegien genossen. Ab 1354 ließen sich wieder erste jüdische Familien in Erfurt nieder.

Die dadurch entstandene (zweite) Gemeinde entwickelte sich im folgenden Jahrhundert zu einer der größten im deutschsprachigen Raum. Die Synagoge, die am 21. März 1349 gestürmt wurde (israelische Quellen geben häufig auch den 02. März an), ist übrigens die älteste noch existierende Synagoge Deutschlands.

Bis heute tauchen versteckte Schätze auf

Noch Jahrhunderte später tauchten wertvolle Besitztümer und Artefakte der Juden des mittelalterlichen Erfurts auf, die man damals vor Plünderern (und laut einigen Quellen auch vor Steuereintreibern) versteckt hatte.

Zuletzt wurde im Jahr 1998 ein 28 Kilogramm schwerer Schatz im Keller der Synagoge entdeckt, der laut Forschern während des Pogroms im Jahr 1349 dort vergraben worden sein muss. Darunter tausende Silbermünzen, 14 Silberbarren sowie 700 verschiedene Goldschmiedearbeiten.

Erfurt kaufte das Synagogengebäude ihrem damaligen Besitzer ab, welcher beabsichtigte, es in ein Restaurant und eine Brauerei umzubauen. Die Stadt führte wissenschaftliche Ausgrabungen und Sanierungen durch. Im Jahr 2009 wurde die „Alte Synagoge“ als Museum der Geschichte des Erfurter Judentums wiedereröffnet.

Quellenangaben anzeigen
haaretz, grin, wikipedia, zeit, städtische webseite
');