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11.04.2002: CIA stürzt Hugo Chavez, Putsch in Venezuela


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Am 11. April 2002 wurde Venezuelas Präsident Hugo Chavez mit Unterstützung der CIA von wohlhabenden Oppositionskräften aus dem Amt geputscht. Nur zwei Tage später zogen 1,5 Millionen Menschen vor den Regierungssitz in Caracas, vertrieben die Putschregierung und holten Chavez zurück in sein Amt.

CIA Putsch gegen Hugo Chavez Venezuela
CIA Putsch gegen Hugo Chavez, Bild: Flagge Venezuelas, gemeinfrei

Chavez war im Jahr 1999 an die Macht gekommen. Die meisten seiner Wähler stammten aus der großen Unterschicht Venezuelas. Obwohl zu diesem Zeitpunkt viertgrößter Erdöl-Lieferant der Welt, zogen die meisten Menschen keinerlei Nutzen aus dem Ressourcen-Reichtum.

Nach seinem Amtsantritt verabschiedete Chavez via Volksentscheid eine neue Verfassung. Dadurch sollte der Reichtum des Landes den Bürgern zugute kommen, statt einer steinreichen Minderheit und ausländischen Magnaten. Er wollte die Bildung verbessern, zudem rief er eine wöchentliche TV-Show ins Leben, bei der die Bürger anrufen konnten um ihm Fragen zu stellen. Ebenfalls zugute kam ihm sein ethnischer Hintergrund.

Von Beginn an hetzten private Medien, hinter denen die Oberschicht stand, gegen den neuen Präsidenten. Sie bezeichneten ihn als sexuell gestört, geistig unzurechnungsfähig und ignorierten bewusst die Erfolge seiner Regierungsarbeit.



Chavez, ein scharfer Kritiker der USA

Die Privatsender hatten eine viel höhere Reichweite als der staatliche Kanal 8. Chavez kritisierte im staatlichen Fernsehen den Afghanistan-Einsatz der USA scharf. Bereits kurz nach Kriegsbeginn forderte er im Oktober 2001 ein sofortiges Ende des „US-Terrors“ gegen die afghanische Bevölkerung.

Die US-Regierung erwiderte, Chavez wisse offenbar nicht, wie ein demokratisches System funktioniert. Sie warf ihm über venezolanische Privatmedien vor, mit kolumbianischen Drogenbaronen zusammen zu arbeiten.

Dem Disput vorausgegangen war, dass Venezuela die Vereinigten Staaten seit jeher mit billigem Öl versorgt hatte. Chavez übernahm jedoch nach Amtsantritt im Zuge seiner politischen Veränderungen die Öl-Unternehmen seines Landes und erhöhte die Preise.

Um dies zu erreichen, musste er die Oberschicht des Landes, welche die staatlichen Unternehmen wie privates Eigentum behandelten, entmachten. Im Februar 2002 kündigte er an, die Vorstände der staatlichen Ölgesellschaft zu feuern und gegen eigenes Personal auszutauschen. In den privaten Medien wurde er daraufhin mit Mussolini und Hitler verglichen.

Opposition trifft Bush-Regierung

Die beiden führenden Stimmen der Opposition, Pedro Carmona, Präsident von Venezuelas größtem Unternehmerverband, und Gewerkschaftsführer Carlos Ortega mit starken Verbindungen zur Oberschicht, reisten nach Washington zu einem Treffen mit der Bush-Regierung, um sich mit ihnen über Hugo Chavez auszutauschen.

Die USA hatten die Regierung Chavez nie unterstützt und hofften, dass eine neue Regierung Venezuelas Ölindustrie „stabilisieren“ würde. Nach dem Treffen meldeten die privaten Medien Venezuelas, die US-Regierung und die CIA seien „sehr besorgt“ über die politische Situation im Land.

Im April 2002 änderten plötzlich ranghohe Militärs ihre Meinung und stellten sich öffentlichkeitswirksam auf die Seite der Opposition. Carmona rief zu einem Protestmarsch gegen Entlassungen bei der staatlichen Ölgesellschaft auf. Was die Demonstranten allerdings nicht wussten, war dass das eigentliche Ziel ein Regierungsputsch war.

Der Putsch

Am Morgen des 11. April wurden die mobilisierten Massen durch die oppositionellen Veranstalter gesetzeswidrig vom Sitz der Ölgesellschaft zum Regierungsgebäude umgelenkt, wo ebenfalls Tausende Menschen demonstrierten, allerdings für die Regierung.

Die Demonstranten der Gewerkschaft waren sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht bewusst, dass sie für einen Regierungssturz instrumentalisiert wurden. Die Opposition suchte offensichtlich die Konfrontation, Straßenschlachten waren die Folge. Heckenschützen, von denen niemand wusste wer sie beauftragt hatte, feuerten in die Menge.

Für die privaten Medien war jedoch sofort klar, dass Chavez dafür verantwortlich sein musste. Laut vor Ort befindlichen irischen Reportern von Radio Telefís Éireann, die ebenfalls alles filmten, waren die vom Privatfernsehen gezeigten Bilder jedoch eindeutig gestellt.

Oppositionskräfte verkündeten über das Fernsehen, dass sie Hugo Chavez von nun an nicht mehr als Präsident anerkannten. Chavez tagte mit seinen Ministern im Büro des Präsidentenpalastes und versuchte sich ein Bild der Lage zu verschaffen. Die Minister ließen eine Live-Schaltung installieren, um sich an die Bevölkerung zu wenden.

Militär rückt mit Panzern an

Die Übertragung wurde jedoch unterbrochen und die Regierung von der Außenwelt abgeschnitten. Das Militär rückte an und umstellte den Palast mit Panzern. Die Opposition bat das Sicherheitspersonal des Präsidenten, keinen Widerstand zu leisten, „um ein Blutvergießen zu verhindern“. Besser gesagt wurde damit gedroht, den Palast zu bombardieren.

Offenbar war man sich der Vorgänge auf Seite der Opposition bereits etwas genauer im Bilde und verkündete bereits im Vorfeld den Regierungswechsel. Chavez weigerte sich zurückzutreten, ließ sich jedoch fünf Minuten vor Ablauf des Ultimatums verschleppen, um nicht ermordet zu werden. Am 11. April 2002 wurde Venezuelas Präsident Hugo Chavez nach dreijähriger Amtszeit entmachtet.

Die Medien wurden zu diesem Ereignis scharf zensiert. Auch der einzige staatliche Sender Kanal 8 war ab diesem Moment unter Kontrolle der oppositionellen Wirtschaftselite. Am 12. April wurde Pedro Carmona als neue Präsident vereidigt und verkündete, dass Chavez freiwillig zurückgetreten sei.

Anhänger von Chavez kämpften unermüdlich dafür, ihre Mitbürger über ihre Sicht der Ereignisse zu informieren, dass Chavez zum Rücktritt gezwungen wurde. Zudem protzten Oppositionspolitiker im Fernsehen damit, dass „der Plan funktioniert hat“ und bedankten sich bei den Privatsendern für die großartige Unterstützung.

Die Stimmung kippt

Carmona hob die Verfassung aus dem Jahr 1999 auf und tauschte diese gegen ein Dekret aus. Kritiker bezeichneten dies als typisches Vorgehen einer Diktatur. Nicht zuletzt aus diesem Grund wandten sich bereits kurz nach der Machtübernahme Carmonas einige Generäle vom neuen Präsidenten ab.

Anhänger von Chavez setzten sich mit internationalen Fernsehsendern in Verbindung, wodurch dennoch die Nachricht verbreitet werden konnte, dass Chavez nicht zurückgetreten sei und gefangen gehalten werde. Dies sorgte für enormen Unmut in der Bevölkerung.

Die Menschen hätten den Rücktritt ihren Präsidenten entsprechend der Verfassung lieber durch freie Wahlen, statt durch einen Putsch von Millionären verursacht gesehen. So kam es bereits einen Tag nach der Vereidigung, am 13.04.2002, erneut zu Massenprotesten und Straßenschlachten.

Die Putschisten hatten die Popularität Chavez‘ offenbar maßlos unterschätzt. Vor allem in den Slums der Hauptstadt kam es zu heftigen Demonstrationen und Krawallen. Tausende Menschen zogen durch die Straßen und schlugen auf Kochtöpfe. Bei Zusammenstößen mit der Polizei kam es zu bis zu 40 Todesfällen.

Zehntausende wütende Menschen demonstrierten trotz Verbots durch die Polizei vor dem Regierungsgebäude. Aufgrund des enormen öffentlichen Drucks wandte sich das Sicherheitspersonal, welches zwei Tage zuvor von Panzern umstellt worden war, gegen die Putschregierung und ließ die Chavez-Anhänger in den Palast.

Carmona und einigen Anhängern gelang die Flucht aus dem Gebäude. Zuvor hatten sie noch die Tresore geplündert. Chavez‘ Minister, die sich seit dem Putsch versteckt gehalten hatten, tauchten in der Menge auf und kehrten vor den Augen der jubelnden Menge an ihre Arbeitsplätze zurück.

1,5 Millionen Menschen fordern Rückkehr ihres Präsidenten

Da niemand wusste, wo Präsident Chavez zu diesem Zeitpunkt festgehalten wurde, wurde der staatliche Kanal 8 wieder auf Sendung gebracht und die Öffentlichkeit zur Suche nach Chavez aufgerufen. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda hatten sich über 1,5 Millionen Menschen vor dem Regierungssitz versammelt.

Über CNN ließ der geflüchtete Carmona verkünden, dass alles unter Kontrolle sei und es kein Problem gebe. Alles hing nun von der Entscheidung des Militärs ab. Die Präsidentengarde wandte sich bittend an die Militärs, ruhig zu bleiben und eine Stellungnahme von Präsident Chavez abzuwarten, sobald dieser auftauchen würde.

Darauf rief ein General von einer Insel aus an, wo Chavez versteckt gehalten wurde und meldete den Ministern, dass dort ein US-amerikanisches Flugzeug gelandet sei. Es wurde vermutet, dass Chavez außer Landes gebracht werden sollte.

Die Streitkräfte schlossen sich den Ministern an und erklärten, Präsident Chavez wieder zum Präsidentenpalast zurückzubringen und stellten sich hinter die geltende Verfassung. Am späten Abend des 13.04.2002 kehrte er zurück in sein Büro und erklärte, dass sein Volk Geschichte geschrieben habe.

Er sagte, er selbst, wie auch seine schärfsten Gegner müssten sich an die für alle Venezolaner geltende Verfassung halten. Er bat alle Bürger nach Hause zu gehen, damit wieder Recht und Ordnung einkehrt.

Bush und die CIA steckten dahinter

Etwas später stellte sich heraus, dass die CIA bereits Tage zuvor über den Regierungssturz informiert und an der Planung maßgeblich beteiligt war. Die Bush-Regierung hatte zwar versucht, sich vom Putsch zu distanzieren. Sie erkannte jedoch sofort die neue Regierung unter Geschäftsmann Pedro Carmona an.

Der Guardian meldete am 21. April 2002, dass die US-Regierung nicht nur wusste, dass ein Putsch stattfinden würde. Sie unterstützten diesen sogar aktiv. Einer der wichtigsten Drahtzieher im Weißen Haus war Elliot Abrams. Dieser war als Direktor der Nationalen Sicherheit für „Demokratie, Menschenrechte und internationale Operationen“ tätig.

Er war laut Guardian ein führender Theoretiker des „Hemispherismus“ und auf die Bekämpfung des Kommunismus in Amerika spezialisiert. Die Behörde hatte bereits am Staatsstreich in Chile im Jahr 1973 maßgeblich mitgewirkt und unterstützte Regime und Todeskommandos in Argentinien, El Salvador, Honduras, Guatemala und anderen Staaten.

Was geschah mit Carmona?

Als Putsch gescheitert war, ließ Chavez Carmona unter Hausarrest stellen und klagte ihn der Rebellion und der Übernahme der Präsidentschaft an. Während eines Gefangenentransports gelang ihm die Flucht in die kolumbianische Botschaft. Dort beantragte er Asyl, welches ihm Ende Mai 2002 gewährt wurde.

Die Regierung Venezuelas kritisierte diesen Schritt scharf, erkannte ihn aber an. Carmona wurde mit einem kolumbianischen Militärflugzeug ausgeflogen und lebte von nun an in Kolumbien. Später zog er nach Miami, USA.

Im März 2011 gab er zu, dass auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) den Putsch unterstützt hat.

Quellenangaben anzeigen
, venezuelanalysis, amerika21, guardian
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