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25.07.1872: Blumenstraßenkrawalle in Berlin


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Am 25. Juli 1872 begannen die Blumenstraßenkrawalle in Berlin. Auslöser war die Räumung der Wohnung eines armen Schusters wegen Mietrückständen. Tausende Menschen strömten aus umliegenden Kneipen, Fabriken und Nachbarwohnungen heran und lieferten sich tagelange Straßenschlachten mit der völlig überforderten Polizei.

Blumenstraßenkrawalle
Blumenstraßenkrawalle, Bild: Gegenfrage.com

An diesem Tag im Jahr 1872 wurde dem mittellosen Schuhmacher (laut einigen Quellen war er Tischler) Ferdinand Hartstock in der Blumenstraße Nr. 52c, nahe dem heutigen U-Bahnhof Strausberger Platz, durch einen Executor (Gerichtsvollzieher) die Wohnung geräumt. Grund dafür war sein Mietrückstand.

Andere Bewohner des Hauses, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten, solidarisierten sich mit dem Schuster und blockierten den Abtransport der Möbel. Gleichzeitig warfen sie die Fensterscheiben der Wohnung des Eigentümers ein, welche sich ebenfalls im Haus befand.

Blumenstraßenkrawalle

Aus den umliegenden Kneipen strömten immer mehr Menschen heran und nahmen an den Protesten teil. Im Laufe der Nacht versammelten sich mehrere Tausend Personen, die gegen die Räumung der Schusterwohnung protestierten. Gegen 3 Uhr morgens wurden die Blumenstraßenkrawalle von der Polizei auseinander getrieben.



Die Polizeipräsenz wurde daraufhin in Friedrichshain erhöht, was die Bürger noch mehr verärgerte. Hinzu kam, dass die Polizei gleichzeitig eine Siedlung von Zuwanderern vor dem Frankfurter Tor in Friedrichshain demontierte, um dort eine Luxusresidenz anlässlich des Empfangs des russischen Zars und des Kaisers aus Wien zu errichten.

Erneut gingen Tausende wütende Bürger auf die Straße, um die Polizei und die Feuerwehr, welche den Abriss durchführte, zu verjagen. Es folgte eine zwei Tage dauernde Straßenschlacht zwischen Bürgern und der Polizei. Aus Kneipen, Wohnungen und Fabriken hagelte es Wurfgeschosse auf die Beamten.

Die Regierung unter Kaiser Wilhelm I. ordnete schließlich an, Soldaten zu mobilisieren, um die völlig überforderte Polizei zu unterstützen. Nach mehreren Gewaltandrohungen durch das Militär, sowie aus Angst vor Repressionen gegen die Arbeiterklasse, endeten die Blumenstraßenkrawalle schließlich am 28. Juli genauso schnell, wie sie begonnen hatten.

Mietverträge damals sehr streng

Zur damaligen Zeit waren die Gesetze aus Sicht der Mieter sehr streng. Mietverträge waren meistens nur ein halbes Jahr gültig, danach wurden die Mieten oft um hohe Prozentsätze erhöht. Gerichtsvollzieher hatten im Falle eines Mietrückstands das Recht, die Wohnung zu betreten und, wenn nötig, das gesamte Inventar zu beschlagnahmen.

Es gab sehr viele Zugezogene aus dem Umland in der Stadt, da Berlin bereits fortgeschritten industrialisiert war und die Menschen sich dort gut bezahlte Arbeit erhofften. Nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich im Jahr 1871 setzten zudem viele Investoren auf steigende Immobilienpreise in der Hauptstadt. So wurden durch Spekulation die Mieten in die Höhe getrieben.

Da sich viele der Zugezogenen den Wohnraum nicht leisten konnten, bauten sie sich aus Brettern kleine Hütten, meist ohne Heizung oder Wasserversorgung. Dadurch entstanden Slums, welche sich etwa am Kottbusser Tor, am Frankfurter Tor oder am Tempelhofer Feld befanden.

Quelle: Das Rote Berlin, Buch von A. Weipert (hier bestellen)

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